Filme über Wanderwegmarkierungen (Eigenproduktionen)
-veröffentlicht bei Youtube-
· Wanderung
als Programm
· Wegerkundung
· Montage
der Wegschilder
· Der
Jakobsweg allgemein
· Werkstattarbeit
Das Projekt „Neue Wege“ ist eine Initiative zur sozialen
Gruppenarbeit, die von der Marburger Bewährungshilfe ins Leben gerufen wurde.
Es bietet Gruppen von straffällig gewordenen Menschen unter anderem Gelegenheit,
sich über Gruppenaktivitäten buchstäblich und im übertragenen Sinne auf neue
Wege zu begeben. Das bedeutet, das vertraute Umfeld hinter sich zu lassen, sich
Ziele zu setzen und diese zu verfolgen. In der Resozialisierungsarbeit, wie
auch auf Wanderwegen stellen sich jeweils die Fragen: „Wo stehe ich?“ und „Was
möchte ich erreichen?“
Jakobsweg – von zu Hause aus beginnen
Zur Auseinandersetzung mit den obengenannten Fragestellungen
begibt sich der Marburger Bewährungshelfer Peter Reckling mit Probanden der
Bewährungshilfe seit 1995 immer wieder zu Gruppenaktivitäten auf den Jakobsweg,
einen alten Pilgerpfad. Der Jakobsweg ist ursprünglich nicht ein feststehender
Weg, sondern ein Wegegeflecht, welches von verschiedenen Sammelpunkten in ganz
Europa nach Santiago de Compostela im spanischen Gallizien, zum Grab des
Apostels Jakobus, führt. Heute ist als Jakobsweg in erster Linie das aus
deutscher Sicht „letzte Stück“ des Weges von Südfrankreich nach Santiago
bekannt. Aber auch in Deutschland werden zunehmend mehr alte Pilgerrouten mit
der typischen Jakobsmuschel gekennzeichnet, mit dem Ziel, einen
zusammenhängenden Jakobsweg zu markieren. So gibt es beispielsweise auch
Überlegungen, den Elisabethpfad von Marburg nach Wetzlar in das Netz des
Jakobsweges einzubinden.
Im November 2000 fand eine Gruppenaktivität der Marburger
Bewährungshilfe im Rahmen des „Neue Wege“ - Projektes auf dem Elisabethpfad
statt. Dieser Weg vollzieht die Strecke von der Marburger Elisabethkirche zum
Kloster Altenberg bei Wetzlar nach, wo man auf den Spuren der Heiligen
Elisabeth pilgern kann. Diese machte sich wiederholt auf eben jenen Weg, etwa
um ihre in Altenberg aufwachsende Tochter Gertrud zu sehen, um geistliche
Gespräche zu führen oder um ihre für das Kloster ausgeführten Spinnarbeiten
abzurechnen.
Es ist davon auszugehen, dass früher auf derselben und
ähnlichen Routen auch Jakobuspilger unterwegs waren, in Richtung Santiago de
Compostela. Daraus entstand der Plan, den gesamten Weg dorthin von unserer
Heimat aus in vielen Etappen und mit Unterbrechungen, aber doch kontinuierlich,
zu begehen. So wurde der Elisabethpfad von Marburg über Oberweimar,
Niederwalgern, Damm, Altenvers, Weipoltshausen, Kirchvers, Krumbach, Bieber und
Hermannstein nach Altenvers zu unserer ersten Etappe auf dem Jakobsweg.
Während dieser Aktivität fiel immer wieder auf, dass die
Wegmarkierung aufgrund von Waldarbeiten, Verwitterung und dergleichen nicht
mehr überall eindeutig und klar waren. Dies führte wiederholt zum Ausdruck des
Wunsches, diese Markierung solle „mal jemand“ erneuern.
Da Probanden der Bewährungshilfe nicht selten auch zu
gemeinnützigen Arbeitsstunden oder in Arbeitsauflagen umgewandelten Geldstrafen
verurteilt sind, entstand in der Folge die Idee, ein Arbeitsprojekt zu
initiieren, in welchem eben diese Aufgabe übernommen wird. Der Oberhessische
Gebirgsverein (OHGV) nahm das Angebot an und sicherte Unterstützung zu. Die
Eingliederungshilfe Marburger e.V. (EGH) übernahm die Verantwortung für das
Projekt und ermöglichte aus seinen Mitteln den Einkauf einiger Werkzeuge, mit
denen in einem Raum im Haus der Bewährungshilfe eine Werkstatt eingerichtet
wurde.
Jesko Matz, Praktikant der Bewährungshilfe, übernahm die
Werkstatt- und Projektleitung. Unterstützt von Wilfried Klös (EGH) wurde im
Juni 2001 die Arbeit aufgenommen.
Viele Probanden der Bewährungshilfe erhalten aufgrund ihrer
Straftaten vom Gericht die Auflage, eine Anzahl gemeinnütziger Arbeitsstunden
zu leisten. Dahinter steht einerseits der Gedanke der Wiedergutmachung
gegenüber der Gesellschaft, die durch eine Straftat geschädigt wurde. Zum
Anderen dienen Arbeitsauflagen der Vermeidung von Haftstrafen, insbesondere als
Alternative, wenn Geldstrafen nicht gezahlt werden können. Eine weitere
Hoffnung besteht darin, Straftätern durch das befriedigende Erlebnis von selbst
geleisteter, sinnvoller Arbeit das Selbstbewusstsein zu stärken und ihnen
andere Lebensperspektiven und legale Verhaltensweisen nahe zu bringen.
Leider werden die Einsatzmöglichkeiten zur Ableistung
gemeinnütziger Arbeitsstunden diesem letzten Aspekt häufig nicht gerecht, da
oft Arbeiten zu erledigen sind, deren Prestige und Anforderungen sehr gering
sind und deren Sinn sich nicht ganz unmittelbar erschließt. Ein Beispiel
hierfür wäre etwa das Müllsammeln auf öffentlichen Plätzen, eine Arbeit, die
meist als erniedrigend empfunden wird und deren Ergebnis häufig schon nach
kurzer Zeit durch neue Verschmutzung zunichte gemacht wird.
Das Ziel, eine etwas anspruchsvollere und interessantere
Arbeit anzubieten, mit deren dauerhaft sichtbaren Ergebnissen sich die
Straftäter identifizieren können, war deshalb der Grundgedanke hinter dem
Wanderwegmarkierungsprojekt, das die Bewährungshilfe Marburg mithilfe der
Eingliederungshilfe Marburg initiierte. Hierbei entsteht in einer Reihe von
Arbeitsschritten ein durchaus schönes Produkt, welches für lange Zeit im
öffentlichen Raum sichtbar ist.
Zunächst werden in der Werkstatt Lärchenbretter per Hand
glattgehobelt und in Wegweiserform spitz zugesägt. Dann muss eine Schablone für
die Beschriftung hergestellt werden. Der Schriftzug wird auf den Wegweiser
übertragen und mit dem Schnitzmesser eingekerbt. Dabei sind Konzentration und
Aufmerksamkeit gefragt, einerseits weil das Holz sich nicht aus jeder Richtung
gleichgut bearbeiten lässt und andererseits damit die Wegweiser später in die
richtige Richtung deuten. Hierzu muss die Landkarte richtig gelesen werden.
Darüber hinaus müssen die Schilder noch grundiert und angestrichen werden, um
sie witterungsbeständiger zu machen. Nun wird die Beschriftung noch farblich
hervorgehoben, damit die Schilder schon aus der Entfernung ins Auge fallen und frühzeitig
lesbar sind. Zuletzt wird noch das offizielle Logo des markierten Weges am
Wegweiser befestigt, dann ist ein Schild fertig.
Wenn eine größere Anzahl von
Wegweiserschildern hergestellt ist, werden diese in einer gemeinsamen Aktion am
Wanderweg aufgestellt. Am Wegesrand werden mit Hacke und Lochspaten Löcher
gegraben, in welche Holzpfosten mit einem Vorschlaghammer eingeschlagen und gut
befestigt werden. Daran werden endlich die Wegweiser befestigt. Bei dieser
Gruppenarbeit kommt es dann auch auf gute Koordination und verlässliche wie
vertrauensvolle Zusammenarbeit an. Etwa beim Halten des Pfostens, wenn der vom
Traktor aus mit dem schweren Vorschlaghammer eingetrieben wird.
Das
Projekt kam zunächst nur zögerlich in Schwung. Dank zweier einsatzfreudiger
Probanden die regelmäßig und recht zuverlässig erschienen und diversen
sporadischen Mitarbeitern kam die Herstellung von Wanderwegschildern dann in
Gange.
Anfang September 2001 konnte dann das erste Stück des Weges
zwischen Marburg und Weipoltshausen mit den neuen Wegweisern ergänzend markiert
werden. Hierbei war Herr Fink, der Ortsvorsteher von Weipoltshausen, eine große
Hilfe. Er fuhr die Arbeiter mit seinem Traktor über die Wanderwege, stellte
nötiges Werkzeug wie Lochspaten und Vorschlaghammer zur Verfügung und war sich
trotz einer Gehbehinderung nicht zu schade, tatkräftig mit zuzupacken. Die
Aktion verlief sehr gut, die Probanden hatten Spaß an der Arbeit und ihnen war
die Befriedigung über die offensichtliche Sinnhaftigkeit ihrer Betätigung
anzumerken.
Inzwischen geht die Arbeit an den Schildern für den weiteren
Verlauf des Elisabethpfades weiter. Darüber hinaus naht die Entscheidung des
OHGV, den Elisabethpfad zusätzlich mit der Jakobsmuschel auch als Jakobsweg zu
kennzeichnen, um so Stück für Stück eine durchgehend markierte Route nach
Santiago de Compostela zu erhalten.
Jesko Matz